Rückläufige Zufriedenheit mit Politik und Demokratie: Handlungsbedarf für die (politische) Erwachsenenbildung

Die Zufriedenheit mit dem politischen System in Österreich gerät unter Druck. Ob sich sinkende Zufriedenheit auch in abnehmender Unterstützung für Demokratie manifestiert, bleibt abzuwarten. Auftrag der politischen Erwachsenenbildung ist es, Menschen das Handwerkszeug zur Reflexion und Artikulation ihrer Erwartungen an Politik und Demokratie zu geben.

Wenngleich Diskurse zum Zustand von Politik und Demokratiequalität schon seit Jahrzehnten durch regelmäßig neue Krisenbefunde geprägt sind, zeigen unterschiedliche sozialwissenschaftliche Erhebungen, dass in den letzten beiden Jahren die Bewertung des österreichischen politischen Systems durch Bürgerinnen und Bürger deutlich erodiert ist.1So zeigt etwa eine Erhebung von SORA, dass im Nov. / Dez. 2021 rund 58 % der Menschen in Österreich2 das Funktionieren des politischen Systems in Österreich als „weniger gut“ oder „gar nicht gut“ beurteilen, 2020 waren dies nur 32 %.

Manifestieren sich solche negativen Bewertungen des politischen Systems, kann dies einen langfristigen und nachhaltigen Vertrauensverlust in demokratische Strukturen und Prozesse bewirken. Diese diffuse von konkreten Akteuren unabhängige Unterstützung von Demokratie ist wiederum für das Überleben demokratischer politischer Systeme von immanenter Bedeutung.3Diesen Entwicklungen zu begegnen, stellt einen Auftrag für politische Entscheidungstragende, aber auch für die Erwachsenenbildung dar: Warum sind Zufriedenheit und Vertrauen mit Politik und Demokratie rückläufig? Welche Erwartungen werden nicht erfüllt? Welches Wissen und Kompetenzen brauchen Bürgerinnen und Bürger, um ihre Erwartungen zu reflektieren, zu artikulieren und damit demokratisch mitzuwirken?

Insbesondere die letzte Frage betrifft die Erwachsenenbildung in besonderem Maße. Die Auseinandersetzung mit (in Frage gestellter) Demokratiezufriedenheit, gesellschaftlicher Polarisierung und Verschwörungserzählungen benötigt entsprechende Bildungsinfrastrukturen im Sinne von Angeboten, aber auch Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner mit fundiertem Wissen über politische Systeme und deren Veränderungen sowie didaktischen Kompetenzen in der Vermittlung von Demokratie und Politik.

 

1 Siehe u.a.: SORA (2021): Österreichischer Demokratie Monitor, https://www.demokratiemonitor.at/;
Aichholzer, Julian & Kritzinger, Sylvia (2021): Wie steht‘s um die Demokratie in Österreich?, https://www.werteforschung. at/projekte/werte-zoom/werte-zoom-8-demokratie-in-oesterreich/;

2 Repräsentative Umfragen mit mindestens 2000 Befragten im Alter 16+ mit Wohnsitz in Österreich.

3 Siehe u.a. Easton, David (1975): A Re-Assessment of the Concept of Political Support, in British Journal of Political Science 5(4), 435–457; Schlipphak, Bernd (2012): Verdrossen über PolitikerInnen und die Demokratie? Der Effekt des Vertrauens in PolitikerInnen auf die individuelle Demokratiezufriedenheit in Österreich, in Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 41(4), 345–361

Bild von Jeremias Stadlmair