Michael Sturm: 50 Jahre Bundesgesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Büchereiwesens aus Sicht der KEBÖ

Das Bundesgesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Büchereiwesens garantiert den gesamtösterreichischen Einrichtungen weder einen Rechtsanspruch auf die Förderungen noch deren Ausmaß. Dennoch bildet das Gesetz immerhin eine gute Grundlage für die Förderung der Erwachsenenbildung in seiner Breite, Vielfalt und Freiheit.

Anfang der 1970er Jahre gab es auf internationaler Ebene zahlreiche Initiativen, dem lebenslangen Lernen mehr Bedeutung beizumessen. Dies war auch ein Anliegen der Regierung Kreisky und der damaligen Erwachsenenbildungsverbände in Österreich. So verwundert es nicht, dass in dieser Aufbruchstimmung eine deutliche Anhebung der Bundessubvention für die gemeinnützige Erwachsenenbildung und die Gründung der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) im Jahr 1972 mit dem am 21. März 1973 im Nationalrat beschlossenen Erwachsenenbildungsförderungsgesetz in einem zeitlich sehr engen Zusammenhang stehen. Mehr noch, das Förderungsgesetz und die KEBÖ haben sich in den vergangenen 50 Jahren als kommunizierende Gefäße entwickelt. Das hat vor allem zwei Gründe.

Zum einen ist für das Gesetz und die Förderbereitschaft des Bundes ein institutionelles Verständnis kennzeichnend. Es ist auf die Förderung von Einrichtungen und Tätigkeiten ausgelegt, nicht auf die von Einzelpersonen. Als Voraussetzungen werden die Gemeinnützigkeit und die kontinuierliche, pädagogisch-planmäßige Bildungsarbeit angeführt. Bei den Förderempfängern ist der Fokus eindeutig auf die gesamtösterreichischen Einrichtungen gerichtet. Dass diese im Bundesgesetzblatt kundzumachen sind, ist sogar explizit im Gesetz verankert. Die dort
angeführten Einrichtungen sind fast ausschließlich deckungsgleich mit den KEBÖ-Verbänden. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die geförderten Einrichtungen flächendeckend in ganz Österreich Angebote für die Bevölkerung bereitzustellen haben. Durch die Kundmachung wird auch festgeschrieben, welche Einrichtungen zweifelsfrei als Erwachsenenbildungseinrichtungen anzuerkennen sind.

Zum anderen ist das Gesetz seinem Wesen nach konsensorientiert gestaltet. Das bedeutet zunächst, dass es von einem sehr breiten Verständnis von Erwachsenenbildung und der Förderfähigkeit ausgeht, um keine gesellschaftlich relevanten Zielgruppen, Einrichtungen und deren Bildungsangebote auszuschließen. Nachdem sich die weltanschaulich doch sehr unterschiedlichen Verbände zur Interessensgemeinschaft der KEBÖ zusammengeschlossen und ihre Anliegen gemeinsam vorgebracht hatten, bekam das Bildungsministerium seinen wichtigsten Ansprechpartner für die Erwachsenenbildung und eine auf breitem Konsens getragene Basis für die Zusammenarbeit. Das bedeutet weiters, dass von Anfang an ein gewisses Harmoniebestreben vorherrschte. Nicht zuletzt manifestiert sich dieses im Gesetz selbst, wenn es dort heißt, dass vor der Erstellung des Jahresplanes über den Einsatz der für diese Einrichtungen vorgesehenen Fördermittel ein Einvernehmen anzustreben ist.

Grundsätzlich lässt sich daraus erkennen, dass das Gesetz die Breite, Vielfalt und Freiheit der Erwachsenenbildung nicht in Frage stellt und auf ein konstruktives Kooperationsverhältnis mit den gemeinnützigen Erwachsenenbildungsverbänden ausgelegt ist. Das hat sich in der Vergangenheit sehr bewährt, da die erwachsenenbildungspolitischen Schwerpunkte und Initiativen immer gemeinsam entwickelt und festgelegt wurden. Dieses Vorgehen hat sich überwiegend positiv auf die Nachhaltigkeit der Förderpolitik des Bildungsministeriums im Bereich der Erwachsenenbildung ausgewirkt.

Inhaltlich zielt das Gesetz auf die Aneignung von Kenntnissen und Fertigkeiten, die Fähigkeit und Bereitschaft zu verantwortungsbewusstem Urteilen und Handeln sowie auf die Entfaltung der persönlichen Anlagen. Als förderungswürdige Aufgaben werden die politische, die sozial- und wirtschaftskundliche, die musische, die sittliche und religiöse Bildung genauso genannt wie die berufliche Weiterbildung, die Vermittlung der Erkenntnisse der Wissenschaften, Bildung als Hilfe zur Lebensbewältigung, das Nachholen, die Fortführung und Erweiterung der Schulbildung, die Führung von Volksbüchereien sowie die Aus- und Weiterbildung von Erwachsenenbildner/innen und Bibliothekar/innen. Darüber hinaus werden noch Bildungsinformation, Bildungsberatung und Bildungswerbung, Veröffentlichungen über die Erwachsenenbildung und das Volksbüchereiwesen sowie die Errichtung und Erhaltung von wissenschaftlichen Untersuchungen auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens angeführt.

Bemerkenswert daran ist, dass die öffentlichen Büchereien und die Erwachsenenbildung gleichwertig nebeneinander in ein und derselben Gesetzesmaterie behandelt werden. Das stellt – auch im internationalen Vergleich – ein Unikum dar. Aus dem Selbstverständnis der KEBÖ heraus wird die Einbeziehung des Bibliothekswesens begrüßt. Dem wird insofern in der Praxis entsprochen, als der Großteil der Aus- und Weiterbildung von Bibliothekar/innen am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung stattfindet. Auch wenn die Zuständigkeit für die Förderungen des Büchereiwesens mittlerweile in ein anderes Ressort gewandert ist, wurde das Bekenntnis zur Zusammenarbeit in der KEBÖ nie in Frage gestellt.

So erfreulich es auch ist, dass in dem Gesetz die Förderabsicht des Bundes zum Ausdruck gebracht wird, einen Rechtsanspruch darauf beinhaltet es leider nicht. Das ist aus Sicht der KEBÖ-Verbände das größte Manko. Ebenso sind keine Anhaltspunkte über das Ausmaß der jährlichen Förderungen im Gesetz zu finden. Angesichts der Fülle an förderungswürdigen Aufgaben muss in diesem Zusammenhang leidvoll die noch immer viel zu geringe Dotierung der Fördermittel für die Erwachsenenbildung angesprochen werden. Diese machen derzeit nicht einmal 0,4 % der gesamten Bildungsausgaben des Bundes aus.

Dessen ungeachtet ist das Gesetz für die Erwachsenenbildung von großer Bedeutung, weil es darauf in anderen Rechtsmaterien zahlreiche wichtige Querverweise gibt, die wiederum für die Rahmenbedingungen der Erwachsenenbildung sehr wertvoll sind. Neben Bezügen zu bildungsspezifischen Gesetzen, Bund-Länder-Vereinbarungen, Verordnungen und Richtlinien betreffen sie etwa Fragen der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von nebenberuflich Lehrenden und Vortragenden in der Erwachsenenbildung oder die der umsatzsteuerlichen Behandlung von Bildungsleistungen. Die auf dem Förderungsgesetz beruhenden Regelungen sind für die Erwachsenenbildungseinrichtungen genauso wichtig wie der Inhalt des Gesetzes.

Insgesamt betrachtet stellt das Gesetz nach wie vor eine gute Grundlage für die Förderung der Erwachsenenbildung in Österreich dar. Vor allem die Breite und Vielfalt der Angebote findet darin ihre Entsprechung. Der institutionelle, auf Konfliktvermeidung ausgerichtete Zugang unterstützt zwar die Kooperation zwischen dem Bildungsministerium und den KEBÖ-Verbänden, kann den Nachteil des fehlenden Förderanspruchs jedoch nicht aufwiegen. Eine Weiterentwicklung des Gesetzes müsste diese Schwäche beheben und ein Mindestausmaß der Förderungen festlegen. Durch eine Präzisierung der Förderungswürdigkeit, die Aufnahme von Qualitätskriterien und die staatliche Anerkennung von Abschlüssen, ließe sich die Stellung der Erwachsenenbildung im österreichischen Bildungssystem weiter stärken.

Foto von Michael Sturm

Michael Sturm
Seit 1996 Geschäftsführer des BFI Österreich und insgesamt sechs Jahre KEBÖ-Vorsitzender