Jour fixe Bildungstheorie / Bildungspraxis, Sommersemester 2022: Validierung als Bildung?

Die Veranstaltungsreihe Jour fixe Bildungstheorie / Bildungspraxis wurde 2007 als Dialog zwischen Erwachsenenbildung und Bildungswissenschaft vom Ring Österreichischer Bildungswerke und dem Institut für Wissenschaft und Kunst initiiert, worin diese nun angesiedelt ist. Sie entwickelte sich dann zu einer Kooperation zwischen Erwachsenenbildung und Universität bzw. zwischen dem Ring Österr. Bildungswerke (Wolfgang Kellner), dem Verband Österr. Volkshochschulen (Stefan Vater) und dem Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien (Bettina Dausien). Mit einem kritisch-emanzipatorischen Bildungsverständnis als Ausgangspunkt setzt sich der Jour fixe seit inzwischen 15 Jahren bzw. 30 Semestern an zumeist vier Vortragsabenden pro Semester mit Themen der Erwachsenenbildung auseinander - im Sommersemester 2022 mit den Möglichkeiten emanzipatorischen Lernens im Rahmen von Validierungsprozessen der EB: anhand theoretischer Grundlegungen (Peter Schlögl, Martin Schmid) und anhand praktischer Beispiele (Elke Schildberger, Margarete Ringler, Wolfgang Kellner) und unter dem Semestertitel „Validierung als Bildung: dialogische Validierungsformate in der Erwachsenenbildung“.

Die Validierung des nicht-formalen und informellen Lernens wird auf EU-Empfehlungen basierend und auf die Etablierung nationaler Qualifikationsrahmen ausgerichtet seit Mitte der 2000er Jahre europaweit forciert. Ein zentraler Anspruch dabei ist, Kompetenzen zu erkennen und anzuerkennen – unabhängig davon, wo sie erworben wurden. Kompetenzerfassung gewinnt dabei eine Schlüsselfunktion und fand auch Eingang in die Erwachsenenbildung – eher zögerlich und mit kritischer Resonanz seitens der allgemeinbildenden Erwachsenenbildung: Begrüßt wird eine Erweiterung der Zugangsmöglichkeiten im Bildungs- und Berufssystem, befürchtet wird die verstärkte Ausrichtung der gesamten Erwachsenenbildung auf Employability inkl. mehr Testen, Messen, Standardisieren. Seit Anfang der 2000er Jahre werden in der österreichischen Erwachsenenbildung dialogisch ausgerichtete Validierungsformate entwickelt und angeboten. Im Bildungsdiskurs werden sie als formative Verfahren bezeichnet. Kennzeichnend für die formative Ausrichtung sind u.a. Entwicklungs- und Lernorientierung, Anforderungsunabhängigkeit, dialogische Selbstbewertung. Sie grenzen sich von den dominierenden summativen Verfahren
ab, deren Charakteristika u.a. Anforderungsabhängigkeit, Fremdbewertung, Abschlussorientierung bzw. offizielle Anerkennung oder Zertifizierung sind (wobei formative Erkundungen häufig Elemente im Gesamtprozess summativer Validierungen darstellen).

Die formativen Formate der 2000er Jahre sind die Kompetenzbilanz des Zukunftszentrums Tirol, das Kompetenzprofil der Volkshochschule Linz und das Kompetenzportfolio für Freiwillige des Rings Österr. Bildungswerke. Sie erkunden das informelle Lernen im Alltag, im Ehrenamt, im Beruf, im Hobby und in anderen informellen Feldern, um es für die persönliche und berufliche Orientierung nutzbar zu machen. Jüngere formative Formate sind z.B. die Kompetenz+Beratung und der Freiwilligennachweis des Sozialministeriums. Mit biographisch orientierten Methoden, kritischer Selbstreflexion und Peer-Learning-Prozessen bieten die formativen Formate Ermächtigung und Orientierung, haben damit eine Nähe zu kritischen Bildungsideen der allgemeinen Erwachsenenbildung („Validierung als Bildung“), verweisen aber auch auf eine produktive Über-
windung der tradierten Abgrenzung zwischen allgemeiner und beruflicher Erwachsenenbildung bzw. Bildung und Ausbildung.

Nach 20 Jahren Erfahrung mit Entwicklung und Implementierung von Validierungsformaten steht ihre Durchsetzung in der österreichischen Erwachsenenbildung immer noch auf dem Prüfstand. Der Jour fixe Bildungstheorie / Bildungspraxis versucht im Sommersemester 2022 eine Art Zwischenbilanz.

 

Themenüberblick zum Jour fixe Bildungstheorie / Bildungspraxis 2007-2022:
https://ring.bildungswerke.at/wp-content/uploads/2022/05/Uebersicht-Jour-fixe-Bildungstheorie-2007-2022.pdf
Jour fixe Bildungstheorie I Bildungspraxis im Sommersemester 2022, Programmfolder:
https://ring.bildungswerke.at/wp-content/uploads/2022/04/Bildungstheorie-SS2022.pdf

Bild von Wolfgnag Kellner