Die neue Basisbildung als „bright side“ der Erwachsenenbildung

Die Initiative Erwachsenenbildung (IEB) fördert seit 2012 österreichweit und kostenfrei gering qualifizierte, bildungsbenachteiligte Jugendliche (ab dem vollendeten 15. Lebensjahr) und Erwachsene mit zwei niederschwelligen Bildungsangeboten.

Die Programme Basisbildung und Nachholen des Pflichtschulabschlusses. Beide zielen auf die Unterstützung von Teilnehmenden im Sinne der Strategie zum Lebensbegleitenden Lernen (LLL:2020) ab. Einerseits schaffen sie Möglichkeiten für weiterführende (Aus-)Bildung und somit Chancen für die Teilhabe am Arbeitsmarkt bzw. mittelfristig auch für höherqualifizierte Erwerbsarbeit. Andererseits fördern sie persönliche Entfaltung und forcieren so die gesellschaftliche und politische Teilhabe der Teilnehmenden.

       Die neue Basisbildung repräsentiert zweifellos eine ‚bright side‘ der Erwachsenenbildung,
       die es verdient, in das ihr gebührende Licht gesetzt zu werden.

       Gerhild Schutti

Die neue Basisbildung startet in der aktuellen IEB-Programmperiode 2018 - 2021 mit einer inhaltlichen und strukturellen Neuausrichtung. Um die Anschlussfähigkeit für Personen mit grundlegendem Bildungsbedarf zu stärken, wird das am individuellen Bildungsbedarf orientierte Basisbildungsangebot sowie die bereits erfolgreich praktizierte erwachsenengerechte Didaktik um substanzielle Elemente erweitert: Ein lernergebnisorientiertes Curriculum beschreibt spezifische Bildungsziele für einzelne Kompetenzbereiche (Lernkompetenzen, Kompetenzen in der deutschen Sprache, grundlegende Kompetenzen in einer weiteren Sprache, mathematische Kompetenzen, digitale Kompetenzen). Laufende Lernstanderhebungen sollen künftig deren Umsetzung gewährleisten. Aktuell wird das bereits im Vorjahr vorgestellte Curriculum für Basisbildungsangebote in der Praxis getestet und bei Bedarf adaptiert. Auch ein entsprechendes qualitätssicherndes Qualifikationsprofil für Basisbildner_innen wird derzeit mit Praxis-Expert_innen erarbeitet. Dieses Profil fachspezifischer (anstelle vormals formaler) Qualifikationen soll einem künftigen Anerkennungsverfahren der Weiterbildungsakademie zu Grunde gelegt werden.

Die umfassende konzeptionelle Neuerung der Basisbildung löste bei einzelnen (Praxis-) Expert_innen zunächst Skepsis aus. So wurde etwa das Kompetenzstufensystem und die Feststellung von Lernergebnissen in der curricularen Erstversion als fragwürdiges europäisches Standardisierungsvorhaben wahrgenommen. Das explizit formulierte Ziel der Anschlussfähigkeit/ Arbeitsmarktintegration verstand man als unverhältnismäßige ökonomische Vereinnahmung von Bildung. In diesem Zusammenhang war auch – ganz im Sinne des Literacy-Verständnisses von Paolo Freire – von normierenden Bildungsansprüchen die Rede. Lernende würden demnach auf die Rolle des „Funktionieren-Sollens“ reduziert und die erwachsenenpädagogischen Grundsätze der Offenheit, Partizipation und Ermächtigung vernachlässigt.

Im Zuge fortgesetzter partizipativer Prozesse mit verschiedenen Anspruchsgruppen dürfte die vormals kritische Grundstimmung aber sukzessive einer zuversichtlichen Erwartungshaltung weichen: Sorgen doch (Mindest-)Standards und Ergebnisorientierung in der Basisbildung dafür, dass die Möglichkeit für den Erwerb grundlegender Basiskompetenzen für möglichst viele Bildungsbenachteiligte in gleicher (Mindest-)Qualität verfügbar ist. Immerhin handelt es sich bei der Anspruchsgruppe mit Zweit- und Erstsprache Deutsch um eine steigende Bevölkerungsgruppe von überwiegend jungen Teilnehmenden mit verschiedensten Migrationshintergründen, zunehmend auch aus dem arabischen Raum. Die Herausforderungen für Basisbildner_innen steigen daher insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an einen strukturierten Deutschunterricht. Erhöhter Professionalisierungsbedarf ergibt sich aber vor allem aufgrund zunehmend heterogener Gruppen im Hinblick auf Lernerfahrungen, Sozialisationen und mitunter gegebenen (posttraumatischen) Belastungsstörungen bei (geflüchteten) Teilnehmenden.

Das lernergebnisorientierte Curriculum zielt zwar auf den Erwerb bestimmter Kompetenzen ab, ist aber in inhaltlich-gestalterischer Hinsicht weitgehend offen, d.h. es gibt nach wie vor viel Handlungsspielraum für kreative Basisbildner_innen. Sie können sich von den Lerninteressen und der (kulturellen) Erfahrungswelt ihrer Teilnehmenden inspirieren lassen, sowohl in methodischer als auch in inhaltlicher Hinsicht, etwa für das mündliche und schriftliche Sprachhandeln und den Erwerb (sinnerfassender) Lesekompetenz.

von Gerhild Schutti