Der Nationale Qualifikationsrahmen (NQR) als Motor für Qualitätsentwicklung in der Erwachsenenbildung

Seit 2019 können in Österreich Bildungsangebote der Erwachsenen- und Weiterbildung in den achtstufigen Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) eingeordnet werden. Damit ist Österreich ein Vorreiter in Europa. Offiziell wird der NQR vor allem als Transparenzinstrument gehandelt, aber es stellt sich die Frage, ob er für die Erwachsenenbildung nicht einen zusätzlichen Nutzen entfaltet: Als Beitrag zur Qualitätsentwicklung und Professionalisierung.

Was bringt der NQR?
Der NQR ist angetreten, um europäische Bildungssysteme vergleichbarer und transparenter zu machen. Das Ziel wäre, alle Qualifikationen innerhalb Europas in einen gemeinsamen achtstufigen Rahmen einzuordnen, mit klar definierten Lernergebnissen zu versehen und so den Menschen zu ermöglichen, besser zu verstehen, was welche Ausbildung bietet oder mit welcher ausländischen Qualifikation sie vergleichbar wäre. Das würde auch Anreize für die europäische Mobilität bieten.
Noch sind allerdings nicht genügend Qualifikationen eingeordnet und ist der NQR nicht so bekannt, als dass er eine Breitenwirkung in der Öffentlichkeit entfalten würde. Zudem hat er eine rein orientierende Funktion und ist mit keinen Berechtigungen verbunden. Es ist also nicht so, dass z.B. eine non-formale Qualifikation, wenn sie auf Niveau VI des NQR eingeordnet ist, automatisch einem Bachelor gleichgestellt ist oder die Absolventinnen und Absolventen gar dazu berechtigt, in ein Masterprogramm aufgenommen zu werden.

Sichtbarkeit für Bildungsangebote
Eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Die NQR-Einordnung verschafft einem Bildungsangebot Sichtbarkeit und versieht es mit einem „offiziellen Stempel“, den eben nicht alle haben (können).
Denn:

  • Ein Bildungsangebot zeigt damit, dass es eine umfassende, stabile Qualifikation ist, die sich langfristig am Markt behauptet und somit eine gewisse Relevanz für das Bildungssystem hat.
  • Der Bildungsanbieter zeigt damit, dass er ein durchdachtes, mit klaren Lernergebnissen und Prüfverfahren versehenes Angebot entwickelt hat und umfassende (Qualitäts-) Kriterien anwendet.
  • Außerdem stellt er unter Beweis, dass er über das pädagogische Knowhow verfügt, um sein Bildungsangebot weiter zu entwickeln und NQR-fit zu machen.


Qualitätsentwicklung für die Erwachsenenbildung
Wer Entwicklung als Ansporn sieht und bereit ist, hierfür Zeit aufzuwenden, wird belohnt. Der Einordnungsprozess bringt Bildungseinrichtungen wichtige Learnings: Was macht ein gutes Curriculum aus? Auf welchem Niveau befindet sich mein Bildungsangebot und warum?

Wie schreibe ich aussagekräftige Lernergebnisse? Wie vermittle ich das, was die Teilnehmenden am Ende können sollen, didaktisch? Was überprüfe ich wie? Und können die Teilnehmenden am Ende das, was ihnen am Anfang versprochen wurde?
Letztlich geht es darum, ein in sich stimmiges und von Anfang bis Ende durchdachtes Bildungsangebot zu schaffen. Die beschriebenen Lernergebnisse müssen in einer Linie mit der didaktischen Vermittlung und den gewählten Prüfverfahren stehen. Und dabei muss auch das angestrebte Niveau stimmen. Das mag auf den ersten Blick aufwändig erscheinen – wird aber belohnt – für die Bildungseinrichtung intern, da dieses Knowhow für die Entwicklung weiterer Angebote genutzt werden kann, aber auch in der Außenkommunikation des Angebots.

Klarheit für die Teilnehmenden und Strahleffekt nach außen
Der Einordnungsprozess zwingt, darüber nachzudenken, welche Zielgruppen mit welchen Vorkenntnissen
erreicht werden sollen. Dies ist hilfreich für späteres Marketing. Potenzielle Teilnehmende
fragen nach, was ihnen ein Bildungsangebot bringt oder welche Verwertbarkeit am
Arbeitsmarkt besteht. Sie vergleichen mit anderen ähnlichen Weiterbildungen. Die Vorteile des
eigenen Angebots lassen sich nach einem erfolgreichen NQR-Prozess leichter kommunizieren,
da man sich als Anbieter verstärkt bewusst wird, warum das Angebot genau so entwickelt und
umgesetzt wird.

Mit dem NQR-Logo auf dem Zeugnis kann das Angebot zudem international verortet werden, was neue Zielgruppen erschließen kann. So hat die Weiterbildungsakademie Österreich (wba) die Erfahrung gemacht, dass Personen aus Deutschland (wo non-formale Qualifikationen nicht eingestuft werden können) ihre Qualifikationen nachfragen, weil das NQR-Logo als „Formalisierung“ des Abschlusses wahrgenommen wird.
Strahleffekt kann der NQR auch in anderer Hinsicht entfalten: Beispielgebend ist hier der Verband Österreichischer Volkshochschulen, der in seiner Betriebsvereinbarung für Abschlüsse auf bestimmten NQR-Niveaus zusätzliche Vordienstzeiten anrechnet. Somit wirkt sich die NQR-Zuordnung direkt auf die Gehaltseinstufung der Mitarbeitenden aus. Langfristig könnten ganze Kollektivverträge folgen.

Mit dem NQR Professionalisierung gestalten
Es lässt sich somit feststellen, dass der NQR für die Erwachsenenbildung Effekte entfaltet, die über den von der Bildungspolitik versprochenen Nutzen hinausgehen. Er bietet mehr als Transparenz: Er kann als Weg zu mehr Qualität und zur weiteren Professionalisierung der Erwachsenenbildung genutzt werden. Damit könnte die Erwachsenenbildung auch ein weiteres wichtiges Ziel erreichen: Je professioneller sie arbeitet und auftritt, umso besser kann sie sich in Zukunft neben dem formalen Bildungsbereich positionieren und ihre Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit stärken.

Was ist der NQR?
Der NQR ist ein gesetzlich geregeltes Instrument zur Einordnung von Qualifikationen des österreichischen Bildungssystems in einen achtstufigen Rahmen. Dabei können sowohl formale (= gesetzlich geregelte) als auch non-formale (gesetzlich nicht geregelte,
z.B. aus der Erwachsenen- und Weiterbildung stammende) Qualifikationen eingeordnet werden.
Die Initiative dazu kommt von der Europäischen Union, die das europäische Bildungssystem vergleichbarer machen will, ohne in die nationalen Bildungssysteme einzugreifen. Ziel ist also die Schaffung von gegenseitigem Verständnis und Vertrauen, so dass Bildungsabschlüsse und die damit verbundenen Lernergebnisse transnational verstanden, transparent dargestellt und verglichen werden können. Das soll auch europäische Mobilität unterstützen.

Foto von Giselheid Wagner

© Giselheid Wagner
Pädagogische Mitarbeiterin der Weiterbildungsakademie Österreich (wba) Mitglied im NQR-Beirat

 

„... die NQR-Einordnung verschafft einem Bildungsangebot Sichtbarkeit und versieht es mit einem „offiziellen Stempel“ ..."

 

 

 

EU Flagge und Schrift: Kofinanziert von der Europäischen Union

Die wba ist eine Einrichtung des Kooperativen Systems der österreichischen Erwachsenenbildung, gefördert aus Mitteln der Europäischen Union und des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung.