Demokratiebildung in Zeiten der Polarisierung

Seit einigen Jahren erleben wir in Österreich, Europa und darüber hinaus eine starke Polarisierung. Prof. Markus Pausch über Themen Demokratie, Soziale Innovation, EU, Partizipation und Demokratie-Bildung.

Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht nur die Meinungen über grundlegende politische Fragen und viele Details weit auseinanderklaffen, sondern dass zunehmend der Dialog verweigert wird und sich die jeweiligen Gruppen in ihren eigenen Meinungsblasen einigeln. Im schlimmsten Fall kann diese Polarisierung zum völligen Ende jeden Gesprächs führen und in Gewalt münden. In Anbetracht einer beschleunigten Kommunikation ist es sehr schwierig, kurzfristig gegen diese Polarisierung vorzugehen. Zwar gibt es viele Studien und bewährte Instrumente, aber wenn eine Dynamik im Gange ist, braucht es sehr professionelle und mit Ressourcen ausgestattete Expertisen und Strategien. Mittel- und langfristig jedoch ist die Stärkung von Demokratiekompetenzen durch Demokratieerfahrungen und Demokratiebildung von zentraler Bedeutung. Aus diesem Grunde haben sich in den letzten Jahren die Bemühungen intensiviert, Demokratiekompetenzen zu stärken und Methoden weiter zu entwickeln.

       Es geht um Kompetenzen in einer komplexen Welt, Zusammenhänge zu verstehen und vor
       allem sich in den politischen Prozess mit einzubringen.

       Markus Pausch

In Österreich wird in der politischen Bildung oft mit dem bewährten Modell von Krammer gearbeitet, das vier Kompetenzen umfasst: Urteilskompetenz, Handlungskompetenz, Methodenkompetenz und Sachkompetenz. Mit diesem Modell wird klar, dass es um mehr geht als nur um Faktenwissen. Es geht um Kompetenzen, die es ermöglichen, in einer komplexen Welt Zusammenhänge zu verstehen, Urteile zu fällen und vor allem sich in den politischen Prozess mit einzubringen. Freilich darf dabei nicht vergessen werden, wie wichtig auch Kenntnisse über grundlegende Strukturen und Prozesse, historische Entwicklungen usw. sind. Der Europarat hat vor einigen Jahren ein erweitertes Kompetenzmodell vorgelegt. Vier Dimensionen mit 20 Kompetenzen werden darin beschrieben: Die Dimension „Werte“ beinhaltet die Wertschätzung von Menschenwürde und -rechten, kultureller Vielfalt sowie von Demokratie-(Prinzipien). Die Dimension „Einstellungen“ zielt unter anderem auf Offenheit, Respekt, Verantwortung oder Ambiguitätstoleranz ab. „Wissen und kritisches Denken“ beinhalten Indikatoren wie Reflexion und Selbstreflexion zu verschiedenen Bereichen der Gesellschaft (Politik, Recht, Kultur usw.). Unter „Fähigkeiten“ werden Kompetenzen wie Teamfähigkeit, kommunikative Skills oder Analysekompetenzen subsumiert.

Um die Kompetenzen zu vermitteln und zu trainieren, gibt es eine Reihe geeigneter Methoden der Demokratiebildung, die angewandt und derzeit auch in Projekten weiterentwickelt werden, etwa im Projekt Resilienz durch Demokratiebildung (rede-project.org) der FH Salzburg, das vom Europarat und der EU-Kommission gefördert wird. Dort wird im internationalen Austausch darüber nachgedacht und erprobt, welche Methoden die Demokratie-Kompetenzen stärken und präventiv gegen Extremismus und Polarisierung wirken. Eine erste solche Methode ist die Stärkung des politischen Ichs, des politischen (Selbst-)-Bewusstseins, das durch biographische Fragen und Erzählungen angeregt werden kann. Die didaktische Vielfalt ist groß und inkludiert auch den Umgang mit Hate Speech oder Verschwörungserzählungen.

von Markus Pausch

Hinweise:

* Krammer, R. 2008. Kompetenzen durch Politische Bildung, in: Kompetenzorientierte Politische Bildung, herausgegeben vom Forum Politische Bildung Informationen zur Politischen Bildung Bd. 29, Innsbruck–Bozen–Wien 2008.

* Demokratiekompetenzen des Europarats: Website Zentrum Polis: Zentrum polis - Politik Lernen in der Schule - Der Referenzrahmen des Europarats für Demokratiekompetenzen (politik-lernen.at)

* Projekt Resilienz durch Demokratiebildung – Resilience Through Education for Democratic Citizenship: Project » REDE (rede-project.org)

Prof. Markus Pausch: Ausbildung Studium der Politikwissenschaft in Salzburg und Lyon, Promotion 2003, Universität Salzburg, Institut für Politikwissenschaft, Lycée Faidherbe Lille, Österreichische Akademie der Wissenschaften, FH Salzburg (seit 2007)