Wer sich mit Wissenschaft beschäftigt und darüber kommuniziert, braucht einen kritischen Blick für die Grenzen des Messbaren, für wirtschaftliche Interessen und blinde Flecken. Schlägt dieser kritische Blick allerdings in ungerechtfertigte Ablehnung gegenüber Wissenschaften um, kann es gefährlich werden – auch für die eigene Gesundheit und die von anderen, wie die Corona-Pandemie gezeigt hat. Gute Wissenschaftskommunikation kann dabei helfen, dieser Wissenschaftsskepsis zu begegnen. Die aktuelle Ausgabe des Magazin erwachsenenbildung.at kritisiert einseitige Modelle des Wissenstransfers, zeigt Beispiele für zeitgemäße partizipative Formen der Wissenschaftskommunikation auf und nennt Tipps und Strategien für eine erfolgreiche Wissenschaftskommunikation.
Ergebnisse in den Vordergrund stellen und „False Balance“ vermeiden
Der Sozialwissenschaftler und Zeithistoriker Peer Pasternack beschreibt die Daumenregel für Vorträge in der Wissenschaftskommunikation: Man sollte nicht mehr als 90 Sekunden auf methodische Erklärungen verwenden, sondern sich auf die Ergebnisse konzentrieren. Außerdem sollten Vortragende alltagssprachliche Begriffe wählen. „Plastikwörter“ wie „Diskurs“ könne man oft ohne Bedeutungsverlust ersetzen, etwa wenn man einfach „Debatte“ meint.
Tanja Traxler, Wissenschaftsjournalistin und Trägerin des Staatspreises für Wissenschaftspublizistik, warnt zudem vor einer „False Balance“ in der Wissenschaftskommunikation. Dabei bekommen einzelne Gegenstimmen eine Bühne, obwohl es einen breiten Konsens innerhalb der Wissenschaftswelt gibt. Dadurch entsteht der Eindruck, es handle sich noch um einen strittigen Sachverhalt, obwohl das nicht der Fall ist. Darauf müssen Kommunikator*innen jedenfalls achten, so Traxler.
Dass Visualität und Erzählung auch dabei helfen können, Hürden gegenüber der Wissenschaft abzubauen, zeigen die Autorinnen rund um die Kommunikationswissenschaftlerin Julia Metag. Die Autorinnen stellen in ihrem Beitrag den Wissenschaftscomic „Frag Sophie!“ vor.
Wie eine unfreundliche Begrüßung bei der Wissenschaftsvermittlung helfen kann
Manchmal muss man auch ungewöhnliche Wege gehen, um Wissenschaft an die Öffentlichkeit zu bringen, wie Lisa Kornder und Helmut Jungwirth vom Wissenschaftskabarett „Science Busters“ zeigen. In ihrem Beitrag geben sie Einblick in die Kommunikationsstrategien bei ihren Bühnenauftritten. Zum Beispiel sei es wichtig, dass sie Nähe zum Publikum herstellen, indem die Wissenschaftler*innen nicht als unnahbare Expert*innen auftreten. Da kann es schon vorkommen, dass der Moderator die Wissenschaftler*innen zu Beginn der Show weniger freundlich, dafür aber mit Witz begrüßt: „Lieber Herr Jungwirth, als wir Sie 2015 von der Straße aufgelesen haben, völlig verwahrlost, waren sie nur ein Assoz.-Prof., ohne Zukunft, ohne Perspektive. Dank der Science Busters sind Sie jetzt Univ.-Prof. Wie schaut so Ihr Alltag aus?“ Lobgesänge seien hier fehl am Platz, das würde nur Distanz zum Publikum aufbauen, so die Autor*innen.
Es braucht partizipative Formen der Wissenschaftsvermittlung
Angebote wie jene der Science Busters machen Spaß und stoßen auf große Resonanz. Ein Problem bleibt aber: Sie erreichen vor allem diejenigen, die ohnehin schon eher bildungs- und wissenschaftsaffin sind. Andere fühlen sich davon oft nicht angesprochen und bleiben außen vor. So beschreibt der Bildungswissenschaftler Lukas Hofmann in seinem Beitrag, dass es in Wissenschaft und Politik Ausschlussmechanismen gibt, die Menschen mit geringer formaler Bildung benachteiligen. Dies wiederum könne Wissenschaftsskepsis bzw. -feindlichkeit schüren.
Um dem entgegenzuwirken, brauche es vor allem einen partizipativen Ansatz in der Wissenschaftskommunikation. Hier sind sich die Autor*innen der Ausgabe einig: Wissenschaftskommunikation müsse weg von einer einseitigen Vermittlung von Wissenschaftler*innen an die Öffentlichkeit hin zu einem aktiven gemeinsamen Dialog. Ein Beispiel dafür sind „Reallabore“ als Lernräume in der partizipativen Wissenschaftskommunikation, auf die Claudia Frick und Julia Laux vom Institut für Informationswissenschaft an der TH Köln in einem Beitrag eingehen.
Wieso ein Brite den Zentralfriedhof in Wien für einen Ort lebendiger Wissenschaft hält
Der Sozialwissenschaftler Klaus Taschwer fragt in seinem Beitrag nach geeigneten Orten für die Wissenschaftsvermittlung. Er erzählt dabei vom Buch „Geek Atlas“ des britischen Autors John Graham-Cumming. Dieser beschreibt darin 128 Plätze, an denen Wissenschaft und Technologie lebendig werden. Wo ist das in Österreich?
Die Antwort des Briten mag überraschen: Auf dem Wiener Zentralfriedhof wird Wissenschaft lebendig, ist sich der Autor sicher – und zwar am Grab des Physikers Ludwig Boltzmann. Auch wenn der Autor das mit einem gewissen Humor schreibt und ihm der Kult um den Wiener Zentralfriedhof wahrscheinlich bewusst ist: Österreich habe tatsächlich ein Defizit an zeitgemäßen Vermittlungsorten für Forschung, so Taschwer. Vor hundert Jahren war das noch anders: Damals war Wien international führend in der Bereitstellung innovativer Vermittlungsräume für wissenschaftsferne Zielgruppen. Die Volkshochschulen wurden rasch zum internationalen Vorbild. Viele dieser Orte gibt es heute noch. Sie seien aber keine Orte mehr, an denen sich Wissenschaft erleben lässt. Mit entsprechenden Rahmenbedingungen könnten sie es aber wieder werden, so Taschwer.
Über die aktuelle Ausgabe des Magazin erwachsenenbildung.at
Die 52. Ausgabe des Magazin erwachsenenbildung.at mit dem Titel „Wissenschaftskommunikation. Die wechselseitige Durchdringung von Gesellschaft, Wissenschaft und Demokratie“ gibt es kostenfrei online. Herausgeber sind Wissenschaftsredakteur Lukas Wieselberg (ORF Science) und Bildungswissenschaftler Stefan Vater (Verband Österreichischer Volkshochschulen).
Weitere Beiträge der Ausgabe sind:
- Neue Orte der Erkenntnisproduktion von Carolin Alexander
- „Follow the Science!“ – Kommunikation von wissenschaftlichem Wissen in der Klimakrise von Maria Stimm
- Gegen Falschinformation immunisieren? Potenziale und Grenzen von Prebunking von Viktoria Eberhardt, Stefanie Mayer, Stefanie Fridrik, Brigitte Temel, Josef Mühlbauer
- Die Rolle der Erwachsenenbildung in der Wissenschaftskommunikation von Martin Schmid
- Wissenschaftsskepsis, Wissenschaftsfeindlichkeit und Wissenschaftskommunikation von Lorenz Lassnigg
- Wissenschafts- und Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung von Holger Wormer
- Emanzipatorische Wissenschaftskritik in Zeiten von Klimakrise & Pandemie, Rezension von Antonia Unterholzer über das Buch von Martin Birkner (Hrsg.)
Weitere Informationen (inkl. Links)
26.06.2024, Text: Lucia Paar, Redaktion/CONEDU
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